Das Dar-Es-Salaam Remand Home Pilot Project – Tansania

Da offiziell das Herumstreunen verboten ist, können Kinder von der Polizei aufgegriffen werden. Aufgrund einer fehlenden Alternative zur Strasse werden sie jedoch in der Regel bald wieder freigelassen. Es sei denn, sie haben sich eines Delikts schuldig gemacht. Dann kommen sie in das Kinderuntersuchungsgefängnis von Dar Es Salaam, das „Remand Home“, in dem Kinder bis zum Alter von sechzehn Jahren einsitzen und auf die Gerichtsverhandlung warten müssen. Für einige kann von hier aus die nächste Station ein Erziehungsheim in Mbeya sein, das von der „Social Welfare“ geführt wird. Andere jedoch kommen nach der Gerichtsverhandlung gleich wieder auf die Strasse.

Der Verein Hilfe für Afrika finanzierte von 1997 bis 2000 einmal im Jahr – entweder zu Ostern oder zu Weihnachten/Ramadan – ein Essen für ca. 60 Kinder.

Hilfe für Afrika finanzierte von Juni 2001 bis August 2002 die erste Phase und finanziert von September 2002 bis August 2003 die zweite Phase des Dar-Es-Salaam-Remand Home Pilot Projekts:

Informationen und Hintergründe zum Pilot Projekt

Was sind Remand Homes?
Das Remand Home ist ein geschlossenes Wohnheim, in dem Kinder im Alter von 8-16 Jahren untergebracht sind, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Hier sollen sie solange bleiben, bis eine Entscheidung des Gerichts über ihren Fall vorliegt. Die Dauer ihres Aufenthalts hängt von der Schnelligkeit der Bearbeitung ihrer Fälle ab. So kann es vorkommen, dass manche Kinder nur wenige Tage oder Wochen, andere Monate und sogar Jahre im Remand Home verbringen müssen. Die Entscheidung über ihren weiteren Werdegang kann die Freilassung oder die Überführung in eine weitere Institution, der Approved School in Mbeya, sein. Das ist eine geschlossene Erziehungsanstalt.

Insgesamt gibt es fünf Remand Homes in Tansania, die in den frühen 60iger Jahren gebaut wurden. Ziel dieser Einrichtungen war die Trennung delinquenter Kinder von erwachsenen Delinquenten, Schutz der Kinder, ihre adäquate Versorgung und ihre Erziehung. In den meisten Fällen kommen die Kinder in das Remand Home wegen geringfügiger Gründe. Oftmals auch nur, weil sie von der Polizei auf der Strasse aufgelesen werden. Die Haltung der Bevölkerung gegenüber den einsitzenden Kindern ist sehr negativ und voller Vorurteile.

Die Remand Homes heute
Mit dem Anstieg der Strassenkinderzahlen sind auch die Zahlen in den verschiedenen Remand Homes in die Höhe gegangen. Die Gebäude sind zum Teil stark renovierbedürftig, die Mitarbeiter sind nicht genügend geschult, einige haben ein sehr negatives Bild über die Kinder, die sich in ihrer Obhut befinden; die medizinische Versorgung ist mangelhaft und es findet keine adäquate Versorgung und Unterricht statt. Nasrin siege hatte in den vergangenen Jahren immer wieder, im Rahmen ihrer Arbeit mit Strassenkindern das Remand Home in Dar-es-Salaam besucht und dabei die schwierige Situation der Kinder und der Mitarbeiter kennen gelernt.

Erste Schritte zur Veränderung
Ende 2000 hatte Nasrin Siege die Gelegenheit zum Gespräch mit dem obersten Dienstherrn des Department of Social Welfare. Das ist die Abteilung für Soziales, das zu dem entsprechenden Ministerium (Ministry for Labour, Youth and Sports Development) gehört. Das Department ist zuständig für die Remand Homes und der Approved School. Während des Gesprächs wurde die Idee des Dar-es-Salaam Remand Home Pilot Projekts, in dem Nasrin Siege als ehrenamtliche Beraterin fungieren sollte, geboren:

Das Remand Home Pilot Projekt
Das Pilot Projekt soll die Situation im Remand Home in den Bereichen Ernährung, Medizin, psychologische Betreuung, Beratung, Ausbildung der Kinder und Ausbildung des Personals verbessern. Darüber hinaus soll es als Modell für eine weitergehende Reform aller Remand Homes und der Approved School dienen.

Eine wichtige Komponente des Projekts ist die Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen (Supportgroup, Strassenkinderprojekte, Hospital, verschiedene Frauengruppen, Rotarier, Botschaften) und Individuen (ehrenamtliche tansanische Lehrer, Ärzte, Künstler u.a.m.).

Im Juni 2001 fand ein Planungsworkshop statt und seitdem läuft das Projekt!

Finanzierung des Pilot Projekts

Hilfe für Afrika finanzierte im Jahre 2001 das Gehalt eines Lehrers, Schulmaterial, Kleidung, Sportmaterial, Gartenwerkzeuge und Gemüsesamen für das kleine Feld des Remand Homes. Eine lokale Rotariergruppe finanziert die medizinische Versorgung. Die mit dem Pilot Projekt gegründete Dar-es-Salaam-Support-Group finanziert einzelne Programme (u.a. Telefonkosten, zusätzliche medizinische Behandlung, Transportkosten für lokale freiwillige MitarbeiterInnen). Die Corona Frauen finanzieren die Arbeit und das Material für die Bemalung der Mauern der Anstalt mit Tingatinga- und Kinderrechtsbildern.

Nach einem Jahr Pilot Projekt
Nach einem Jahr Pilot Projekt ist das Remand Home nicht mehr wiederzuerkennen:

Die Kinder bekommen regelmässigen Unterricht.

Ein ehemaliger Strassenjunge hat mit den Kindern die Wände des Remand Homes mit Tingatinga-Bildern bemalt. Ein anderer Junge hat mit den Kindern Bilder mit Kinderrechtsmotiven angebracht.

Ein Strassenkinderprojekt unterrichtet die Kinder in traditioneller Musik (Trommeln, Tanz, Theater).

Mitarbeiter der verschiedenen Strassenkinderprojekte unterrichten die Mitarbeiter des Remand Homes und führen in einzelnen Fällen Gespräche mit den Kindern.

Durch die Zusammenarbeit mit den Strassenkinderprojekten kommen einzelne Kinder nach ihrer Entlassung in die Obhut der Projekte und landen nicht wieder auf der Strasse.

Die Kinder bewegen sich innerhalb des Remand Homes frei. Die Türen nach draussen sind offen und sie laufen – entgegen den früheren Ängsten der Mitarbeiter – nicht davon.

Eine Supportgroup mit Mitgliedern aus der nationalen und internationalen Community ist gegründet und unterstützt durch Spenden, Öffentlichkeitsarbeit und praktischer Hilfe (Ärztin, Krankenschwester, u.a.m.).

Die benachbarte Regency Clinic hat sich bereit erklärt, kranke Kinder kostenlos zu versorgen. In finanziell schwierigen Fällen versucht dann die Supportgroup die Mittel durch Spenden im Land zur Verfügung zu stellen. Hinzu kommt noch der monatliche Beitrag der involvierten Rotariergruppe für den medizinischen Bereich.

Viele freiwillige Helfer sind involviert, u.a. Lehrerinnen und der tansanische Künstler Hamedi Athumani (Unterricht im Schnitzen),

Das Department hat eine professionelle Krankenschwester und eine Lehrmeisterin (Schreinerei, Schneiderei, Handarbeiten) zur Verfügung gestellt.

Die Schreinerei
Viele Kinder im Remand Home befinden sich hier bereits seit mehreren Jahren. Sie haben in diesen Jahren weder eine Schulausbildung noch andere Fertigkeiten erlernt. Es gibt keine Lehrer und auch keine Unterrichtsräume oder Werkstätten. Das Pilot Projekt Team bemühte sich um die Finanzierung einer Schreinerei- und Schneiderei-Werkstatt.

Mit Hilfe einer gemeinsamen Finanzierung der Deutschen Botschaft und dem Rotarier-Club Bahari, Dar-es-Salaam wurde in diesem Jahr eine Schreinerei gebaut. Am 29. August 2002 fand eine grosse Eröffnungsfeier mit dem Minister, dem deutschen Botschafter, dem Präsidenten der Rotarier, allen beteiligten Gruppen und Unterstützern und vor allem mit den Kindern des Remand Homes statt. In ihrer Rede schilderten die Kinder ihre Probleme im Remand Home, die sie vor dem Beginn des Pilot Projekts hatten. Sie erzählten von einzelnen Fällen, die bereits seit Jahren auf die gerichtliche Entscheidung warteten und baten um weitere Hilfe für sich und auch für die Kinder in den anderen Remand Homes in Tansania.

Auf dieser Feier wurde der Öffentlichkeit der Entwurf des Nationalen Programms zur Verbesserung der Situation aller Remand Homes und der Approved School vorgestellt. Der Minister und der deutsche Botschafter waren sehr beeindruckt von den bisher stattgefundenen Veränderungen und das Nationale Programm hat in dem Minister einen starken Fürsprecher gewonnen!

Das Nationale Programm
Neben der Durchführung der laufenden Programme im DSM-Remand Home hat das Pilot Projekt Team, unterstützt vom Ministerium für Jugend, Arbeit und Sport, den Entwurf zu einem Nationalen Programm ausgearbeitet.

Mit Hilfe dieses Nationalen Programms soll, nach dem Vorbild und den Erkenntnissen des Pilot Projekts, eine grundlegende Veränderung der Situation von Kindern und Jugendlichen im Strafvollzug und damit sämtlicher Remand Homes und der Approved School in Tansania stattfinden.

Das nationale Programm wird z.Zt. in den vier anderen Remand Homes und der Approved School (Erziehungsheim) umgesetzt.

Die Umsetzung des Nationalen Programms in allen Remand Homes und der Approved School wird von der Regierung Tansanias und den verschiedenen internationalen Hilfsorganisationen NGOs und Initiativen finanziell unterstützt.

Hilfe für Afrika bleibt in Verbindung mit dem Remand Home-team, um gegebenfalls dem Projekt beiseitezustehen.