Das erste Projekt in Äthiopien, das „Hilfe für Afrika e.V.“ in Äthiopien unterstützte, ist die „Insel“, ein Tageshaus von dem deutschen Verein „Let me be a child e.V.“ (Lmbac), der benachteiligten Kindern eines Armenviertels in Addis Abeba eine Ganztagsbetreuung anbietet.
„Let me be a child e.V.“ wurde 2004 von Etagegne Bierig, Marius Bierig und einer Gruppe von Freunden aus Deutschland und Äthiopien gegründet. Kurz darauf startete der Verein mit seiner Arbeit in einem Privathaus in Addis Abeba. Die erste Gruppe bestand aus 15 Kindern. Inzwischen werden durchschnittlich 44 Kinder von Lmbac betreut.
Das Haus wurde im Laufe der letzten Jahre zu einem mehrstöckigen Gebäude umgebaut. Eine Bibliothek, ein Computerraum, Werkstatträume, Gästezimmer und Freizeitbereiche sind hinzugekommen. Die Einnahmen aus der Vermietung der Gästezimmer gehen direkt in das Projekt.
In der „Insel“ erhalten bedürftige verarmte Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 17 Jahren eine Ganztagsbetreuung. Die Mehrzahl sind Waisen oder Halbwaisen. Sie wohnen entweder bei ihren Restfamilien oder in Familien, die sie bei sich aufgenommen haben. Die Projektmitarbeiter:innen besuchen regelmäßig alle Familien und überprüfen die adäquate Unterbringung der Kinder.
Lmbac finanziert die Schulausbildung der Kinder und Jugendlichen. Um diese gewährleisten zu können, erhalten die Kinder in der „Insel“, neben regelmäßigen Mahlzeiten, medizinische Hilfe, Kleidung, psychologische Betreuung und Hilfe bei den Hausaufgaben. Nach dem Abendessen in der „Insel“ gehen die Kinder zur Übernachtung zu ihren Familien.
Die Unterstützung durch Hilfe für Afrika e.V.
Im April 2008 besuchte Nasrin Siege, die gerade nach Addis Abeba gezogen war, die „Insel“. Beeindruckt von dem Konzept und der guten Arbeit, engagierte sich Nasrin in der Insel: Sie gab Nachhilfeunterricht in Englisch und führte Schreibwerkstätten durch. Aus einer Schreibwerkstatt entstanden Lebensbeschreibungen einer Gruppe von Jugendlichen, die Lmbac 2014 zu seinem 10-jährigen Geburtstag veröffentlichte. Aus einer anderen Schreibwerkstatt entsprang die Geschichte TARIKU , die von TAPORI Online veröffentlicht wurde.
Zunächst finanzierte Hilfe für Afrika e.V. vor allem das Gehalt einer Schneiderin, die nicht nur die Schuluniformen der Kinder nähte, ihre Kleidung reparierte, sondern auch interessierten Kindern das Nähen beibrachte. Hinzu kam im Jahr 2010 die Einrichtung einer kleinen Bibliothek. Von 2012 bis 2017 finanzierte HfA das Gehalt des Märchenerzählers Ato Zenemarkos, der einmal in der Woche den Kindern der Insel Geschichten erzählte und ihnen die alte Sprache Geez beibrachte.
HfA hat die berufliche Weiterbildung von zwei Mitarbeiter:innen finanziert, darunter ein Master-Programm im Bereich NGO Management des Koordinator des Projekts.
Seit 2017 finanziert HfA vor allem einen Großteil der Gehälter der Mitarbeiter:innen der „Insel“ in Addis Abeba.
Auch Lmbac hatte während er Pandemie mit Problemen zu kämpfen. Einen Bericht darüber finden Sie hier.
Kinder unterstützen Kinder
Während ihrer Lesereisen in Deutschland, erzählt Nasrin Siege auch immer wieder von den Projekten von HfA. Seit etwa 12 Jahren besucht sie jedes Jahr die Ritter-Wirnt-Realschule in Gräfenberg. Im Jahr 2018 wurde sie von der Schulleitung der Realschule gebeten, in der Vollversammlung der Schüler:innen zwei Kinderprojekte von HfA vorzustellen. Nach diesem Vortrag beschloss die Vollversammlung, das Waisenprojekt „Let me be a child“ in Addis Abeba zu unterstützen. Mit ihren Beiträgen, die sie im Laufe des jeweiligen Jahres durch z.B. Kuchenverkauf erzielen, unterstützen die Kinder uns seitdem darin, die Kinder von Lmbac zu unterstützen.
Danke!
Ein Interview vom Mai 2022 mit Nasrin Siege, durchgeführt von einer Gruppe von Schüler:innen der Realschule und im Jahresbericht der Schule veröffentlicht, finden Sie hier.
Artikel: Die eigenen Geschichten der Kinder
von Nasrin Siege
Datum: 14. Mai 2014
Mit dem Englisch-Unterricht mit einer Gruppe der älteren Kinder fing es an: Ich hatte mir von Tapori, der Kinder-Organisation von ATD Vierte Welt mehrere Minibücher schicken lassen, die ich für den Unterricht verwenden wollte. In diesen Büchern werden auf wenigen Seiten, gut lesbar und mit Zeichnungen illustriert, Geschichten erzählt, die von Kindern handeln, die so wie die Kinder der „Insel“ in Addis, aus armen und schwierigen Verhältnissen kommen bzw. in ihnen leben. Dieser Englisch-Unterricht hat sehr vieles frei gesetzt. Neben dem Erlernen der Sprache:
- diskutierten die Kinder, mit Hilfe der Geschichten, über die Probleme der Kinder in den Geschichten
- öffneten sich die Kinder und sprachen über sich
- bekam jedes Kind ein eigenes persönliches Exemplar von dem jeweiligen Minibuch
- erweiterten die Kinder ihr Wissen über andere Länder
Da ich kein Amharisch sprach, standen mir Yeneheh, Eyoub und Habtamu, die Mitarbeiter des Projekts, abwechselnd zur Seite.
Diese Englischstunden fanden von 2008 bis 2011 einmal in der Woche in der „Insel“ statt. Die hoch motivierten Kinder lernten von Woche zu Woche neue englische Worte.
Dieser Unterricht hat wiederum neue Ideen und Projekte geschaffen:
- Durch den Kontakt mit Tapori haben die Kinder von Lmbac Briefe und Zeichnungen an Kinder anderer Tapori-Gruppen in anderen Ländern verfasst und auch von ihnen Briefe und Zeichnungen erhalten.
- Die Kinder haben zum 17. Oktober 2009, dem Internationalen Tag der Bekämpfung der Armut, sog. Dazibaos gemalt und beschriftet, die von Tapori Online ausgestellt wurden.
- Die Kinder tauschen sich auf Englisch mit Emails und Briefen mit Schulklassen in Deutschland aus.
- Die Kinder haben zwei eigene Geschichten geschrieben. Beide entstanden aus einer Mischung aus Erzählen und Theaterspielen.
- Die Geschichte “Tariku” wurde von Tapori in Französisch übersetzt und erschien im französischen Tapori Newsletter.
- Die englische Originalfassung von Tariku ist auf der Tapori Homepage zu sehen
Neben der Arbeit mit den älteren Kindern des Projekts, habe ich versucht, nach dem Vorbild der Straßenbücherei, die ich in Madagaskar kennen gelernt hatte, für die Kleinen eine Buch- und Malstunde einzurichten. Denn auch in Äthiopien gibt es nicht sehr viel Auswahl an Kinderbüchern. Ich habe alle Bücher in Amharisch, die ich finden konnte, für die Bücherei gekauft. Bei den anderssprachigen Büchern habe ich nach möglichst textfreien Bilderbüchern geschaut. Einige Bücher habe ich in meinen eigenen Regalen gefunden. Andere bekam ich von Freunden in Addis, Deutschland und Verlagen gespendet.
Seit Januar 2012 und im Rahmen einer Schreibwerkstatt arbeitete eine Gruppe der Kinder an ihren eigenen Geschichten und Gedichten, die im Jahr 2014, zum 10-jährigen Jubiläum von „Let me be a child“, veröffentlicht wurden!